Ursprung der Zahnradbahnen
Im Jahre 1804 setzte Richard Threvithick seine erste Lokomotive auf der Förderbahn von Merthyr nach Tydville in Gang. Da Steigungen, wenn auch keine bedeutenden, vorkamen, so mußten nach der damaligen Ansicht der Maschinenbauer besondere Vorkehrungen getroffen werden.

Zwei Mittel sollten hierzu dienen. Einmal wurden die Räder nicht glatt, sondern gerippt ausgeführt, außerdem aber längs der Gußschienen Holzschwellen gelegt und in die Räder kräftige Eisennägel befestigt, welche bei der Abwicklung sich in das Holz eindrückten und dadurch ein Gleiten (Schleudern) der Räder verhinderten. Beide Mittel erwiesen sich jedoch allzu wirksam. Bedeutende Widerstände und rasche Abnutzung waren die Folge.

Die Middleton Bahn (Blenkinsop)
Zahnstange Blenkinsop.
John Blenkinsop, der Besitzer der Middletoner Kohlenwerke bei Leeds, kam zur richtigen Erkenntnis, daß die oben erwähnten Umstände gründlich beseitigt werden könnten, wenn die maschine seines Nachbars mit einem wirklichen Zahnrade versehen wurde, das sich an einer entsprechenden Zahnstange abwickeln könnte. Am 10 April 1811 suchte er für diese seine neue Idee das englische Patent nach und beauftragte den Maschineningenieur Mathäus Muray von Leeds mit dem Baue einer derartigen Maschine. Schon im August des folgenden Jahres kam dieselbe auf der entsprechend eingerichteten Bahn in Betrieb. Es war die erste richtige Zahnradlokomotive.

Wie damals üblich, bestand das Gleis aus hölzernen Querschwellen und gußeisernen Schienen. An die äußere Seite der einen Schiene waren warzenförmige Zähne angegossen, in welche das seitlich angebrachte Zahntriebrad eingriff. Den Antrieb lieferten zwei über dem Dampfkessel stehend angebrachte, doppelt wirkende Zylinder. Von hier erfolgte die Kraftübertragung durch Schubstangen auf zwei unter 90° zueinander gestellte Kurbeln. Auf den Kurbelachsen waren Zahngetriebe aufgekeilt, welche in ein gemeinsames Übertragungsrad eingriffen; auf der Achse des letzteren endlich war das eigentliche Zahnrad gelagert. Die ganze Lokomotive wog nicht über 5 Tonnen, sie zog auf wagerechter Bahn 30 Kohlenwagen von 94 Tonnen Gewicht mit 5 km Geschwindigkeit in der Stunde. Auf der stärksten Steigung von 66 v.T. konnten bei gleicher Fahrgeschwindigkeit noch 15 Tonnen befördert werden. Die Zugkraft betrug also rund 1500 kg.

Daß dieser außerordentliche Fortschritt im Bau und im Betriebe der Eisenbahnen nicht schon damals weitere Anwendung gefunden, hat seinen Grund in der fast gleichzeitigen Entdeckung W. Blacketts bei Versuchen, die auf der Bahn von Wylam angestellt wurden. Debei zeigte sich nämlich, daß sie allein, ohne Zahnstange und andere künstliche Mittel, genügt, eine bedeutende Zugkraft auszuüben, besonders dann, wenn mehrere Räder der Lokomotive zur Bewegung herangezogen, also das Gewicht des Motors möglichst vollständig ausgenutzt wird. Zu dieser Überzeugung war Blackett, oder richtiger dessen Grubenaufseher W. Hendley im Jahre 1814 gekommen. Damit war die Weiterentwicklung der Zahnradbahnen zunächst abgeschnitten. Die Ausführungen Murrays hielten sich aber so vorzüglich, daß nach zuverlässigen Aufzeichnungen die Middletoner Zahnradbahn noch im Jahre 1838 im Betriebe stand und nach Vervollkommungen verschiedener Art Züge bis zu 140 Tonnen auf wagerechter Strecke fortgeschafft wurden.

Die Rimberton Bahn
Oberbau der Steinbruchbahn Laufen.
Dem nächsten Fortschritt in der Entwicklung des Zahnradsystems begegnen wir einige Jahre später in Nordamerika. Enner Rimber von Rimberton ließ sich 1831 von den Vereinigten Staaten ein Patent auf eine Vereinigung von Reibungs- und Zahnvorrichtung erteilen. Sein Gleis sollte dort, wo die Zahnstange zur Anwendung kam, aus drei Strängen bestehen, aus einem mittleren, der die Zahnstange bildete samt einem schmalen Gleis, auf dem die losen Lokomotivräder in solcher Höhe über den gewöhnlichen Schienen liefen, daß die Reibungstriebräder sich inzwischen in der Luft leer drehten und zwar über dem anderen, breiteren Gleis, auf dem die Tragräder der Maschine und die Laufräder der Wagen rollten. Eine Ausführung erlebte Rimber nicht.
Dagegen kam Roman Abt, damals Konstrukteur der Maschinenfabrik Aarau, im Jahre 1877 unabhängig von dieser Idee auf eine ganz gleiche Lösung und fand Gelegenheit, dieselbe für eine kleine Steinbruchbahn in Laufen (Kanton Bern) auszuführen.

Die Madison-Indianapolis Bahn (Cathcart)
Seither sollten amerikanische Ingenieure noch zweimal wegweisend auf dem Gebiete der Zahnradbahnen werden. Im Jahre 1837 wurde die Bahn von Madison nach Indianapolis (Nordamerika) angelegt. Die Bodenverhältnisse erfordeten kurz nach Verlassen des Bahnhofes Madison eine 2 km langeSteilrampe von 59 v.T. Steigung. Die ersten Jahre erfolgte der Betrieb durch Pferde, allein bald reichten deren Kräfte nicht mehr aus. 1845 lieferte dann W. Baldwin in Philadelphia eine gewöhnliche Dampflokomotive mit 26 Tonnen Dienstgewicht. Allein ihre Leistungsfähigkeit entsprach nur drei Wagen im Gewichte von 33 Tonnen. Nach vielfachen Entwürfen, an denen sich besonders William Hoyt von Dupont betätigte, wurden im Jahre 1847 nach Plänen von A. Cathcart, ebenfalls von Baldwin, zwei Zahnradlokomotiven gebaut, welche sich durch ihre Anordnung und Leistung auszeichneten.

Lokomotive Cathcart.


Zahnstange Madison-Indianapolis.


Diese Maschinen wurden von vier Triebachsen getragen, alle gekuppelt und von einem Zylinderpaare angetrieben. Als gewöhnliche Reibungsmaschine arbeiteten sie damit auf den wenig geneigten Strecken der Bahn, auf der Zahnstange aber wurde der Dampf zur Erzeugung der Reibung abgestellt. Durch einen über dem Kessel, vor der Fenerbüchse angebrachten Dampfzylinder wurde die Zahntriebachse mit dem Zahnrade gesenkt und durch zwei weitere Dampfzylinder, die stehend über dem Langkessel angebracht waren, ein Zahngetriebe in Bewegung gesetzt, das mit dem Zahnrade in Eingriff stand und damit die Fortbewegung des Zuges auf der Zahnstange bewirkte. Diese bestand aus Gußeisen und war in der Bahnachse auf einer hölzernen Langschwelle angebracht. Die Lokomotive samt Tender wog 54 Tonnen. Probeweise wurden damit Züge bis zu 170 Tonnen befördert. Die 2,145 km lange Steilrampe wurde regelmäßig in 25 Minuten, also mit 5 km Geschwindigkeit in der Stunde zurückgelegt. Bis zum Juli 1868 blieben diese Maschinen im Dienste. Dann wurden sie wiederum durch Reibungsmaschinen von 50 Tonnen Reibungsgewicht und fünf gekuppelten Achsen ersetzt. Dieselben beförderten für gewöhnlich außer dem 16 Tonnen schweren Tender einen Zug von 90 Tonnen mit 10 km Geschwindigkeit.
System Marsh
Im Juni des Jahres 1858 endlich legte Silvester Marsh aus Chicago dem gesetzgebenden Körper des Staates New-Hampshire das wohldurchdachte Modell einer Zahnradlokomotive und einer Zahnstange vor, zur Ersteigung des Mount Washington. Darin war die Zahnstange ebenfalls in der Bahnachse und der Dampfkessel stehend angeordnet. Die verlangte Genehmigung wurde auch erteilt, doch erst im Frühjahr 1866 waren die zum Baue nötigen Mittel beisammen.

Zahnstange Marsh.


Lokomotive Marsh.


Örtliche Verhältnisse, namentlich ganz felsiges Gelände, dann auch die knapp bemessenen Geldmittel drängten darauf, die Baukosten so niedrig wie möglich zu halten. Die ganza Bahn wurde darum auf ein fortlaufendes Holzgerüst verlegt und gegen den Felsen gut abgestütz. Über dem eigentlichen Gerüste befanden sich drei Langschwellen aus Holz. Die beiden äußeren dienten zur Aufnahme der Laufschienen aus Bandeisen von 12/50 mm Querschnitt, die mittlere zur Aufnahme der Zahnstange. Diese zeigte die Grundform der seitherigen Leiterzahnstangen.. Sie bestand aus zwei Winkeleisen von 76/76/10 mm Querschnitt im Abstande von 118 mm. Dazwischen steckten die Zähne aus 38 mm dicken Rundeisen. Diese letzteren waren beiderseitig an ihren Enden vernietet. Die Teilung betrug 100 mm, die Breite des Zahnstangefußes 270 mm, die der darunter liegenden Langschwelle 204 mm. Die Winkeleisen- schenkel standen somit beiderseits um 33 mm über die Langschwelle vor und dienten zwei kleinen Rollen als Führung, die an einem Gestelle der Maschine gelagert waren und ein allfälliges Aufsteigen des Zahnrades verhüten sollten. Die Länge eines Zahnstangestückes war 3600 mm.

Das gleiche Bestreben ausgesuchter Einfachkeit leitete den Entwurf der Lokomotiva, von Campbell und Whitier in Boston erbaut, welche noch im gleichen Jahre 1866 ihren Dienst begann. Der lotrechte Kessel war an zwei Drehzapfen aufgehängt. Die Maschine wurde von zwei Achsen getragen, von denen die hintere zugleich Zahntriebachse war. Die Bewegung folgte von einem Paar seitlich und außerhalb des Rahmens angebrachter Dampfzylinder aus.

Durch zweimalige Übersetzung, also mit Hilfe von drei Vorgelegen, erfolgte der Antrieb der Zahnredachse.
Diese Maschine wog bloß 4 Tonnen und beförderte auf dem 1,5 km langen Bahnstück, welches im ersten Jahre vollendet wurde und eine größte Steigung von 33 v.T. enthielt, eine Last von 5 Tonnen mit 4,5 km Fahrgeschwindigkeit in der Stunde.

Diese erste Maschine erwies sich bei allerdem doch als zu einfach gebaut; schon 1867 wurde darum an eine stärkere Bauart gedacht, deren Gewicht dann 6,5 Tonnen erreichte. Die allgemeine Anordnung mit stehendem Kessel aber wurde beibehalten, dagegen geschah die Kraftübertragung durch eine einzige Vorgelegewelle. Für die Talfahrt wurden die Dampszylinder als Luftbremsen eingerichtet, wie alle später gebauten Zahnradlokomotiven solche erhielten. Auch die Schienen aus Flacheisen erwiesen sich als zu schwach und wurden durch Breitfußschienen von 15 kg/m ersetzt.

Am 14 August 1868 hatte Marsh 60 der ersten Eisenbautechniker Amerikas zu sich geladen und sie auf seiner Bahn befördert. Allseitig wurde ihm uneingeschränktes Lob gespendet. Im gleichen Jahre war auch die Bahn bis auf ein kurzes Stück unter dem Gipfel vollendet. Nachdem der kleine Rest im Frühjahr 1879 nachgeholt, wurde die ganze Bahn dem regelmäßigen Betriebe übergeben.

Sie hat eine Länge von 4536 m, eine größte Steigung von 377 v.T., eine Spurweite von 1411 mm ohne jedes seitliche Spiel der Räder im Gleis. Die mittlere Steigung beträgt 241 v.T., der kleinste Bogenhalbmesser 150 m. Die Züge bestehen aus der Lokomotive und einem Personenwagen von 3 Tonnen Eigengewicht mit 50 Sitzplätzen, wobei die sämtlichen Bänke so angeordnet sind, daß alle Reisenden nach dem Tale schauen.

Die Mount-Washington Zahnradbahn.
Im Jahre 1871 wurde eine dritte Lokomotive in Betrieb gesetzt, die sich, abgesehen von Verbesserung in den Einzelheiten, von den früheren dadurch unterscheidet, daß jede der beiden Achsen ein Zahntriebrad erhielt und je von einem eigenen Zylinderpaar angetrieben wurde. Im Jahre 1875 endlich wurde auch der stehende Kessel durch einen liegenden mit gewöhnlicher Anordnung ersetzt. Das Dienstgewicht dieser Maschinen beträgt 12 Tonnen. Diese letzteren drei Maschinengattungen verdanken ihren Ursprung Waler Aiken, Maschinen- meister der Mt. Washington-Bahn.
© Eugeni Pont, 1998